Wie finanzieren sich Agenturen in Deutschland?
Erkenntnisse und Empfehlungen aus dem Agentur Finanz Report 2024
In einer Branche, die von Kreativität und Innovation lebt, bleibt die finanzielle Stabilität oft eine unterschätzte Herausforderung. Der „Agentur Finanz Report 2024„, veröffentlicht vom GWA e.V. und der Match2B GmbH, liefert endlich wertvolle Einblicke in die Finanzierungssituation deutscher Agenturen. Bislang war das ein großes Rätselraten: Wie finanzieren sich Agenturen in Deutschland eigentlich? Angesichts steigender Kosten, umkämpfter Mandate und längerer Zahlungsziele wird die Liquidität zunehmend zum Risiko. Mehr als ein Viertel der Agenturen arbeitet ohne Gewinn, und strategische Auseinandersetzungen mit Finanzierungsfragen bleiben selten. Darüber hinaus besteht eine zunehmende Notwendigkeit, in Technologien wie KI und Mitarbeiterausbildung zu investieren, um am Markt wettbewerbsfähig zu sein.
Unser Artikel fasst für Sie die zentralen Ergebnisse der Studie zusammen und gibt Ihnen praktische Empfehlungen, wie Sie als Agentur Ihre finanziellen Risiken minimieren können und so Ihre Wachstumschancen besser zu nutzen wissen.
1. Der finanzielle Ist-Zustand deutscher Agenturen
Die Finanzierung deutscher Agenturen verläuft vor allem über Eigenkapital. Es zeigt sich: 73 % der Agenturen arbeiten zwar profitabel, aber mehr als ein Viertel der befragten Agenturen (11 %) erwirtschaften entweder keinen oder einen negativen Gewinn, also einen fetten Verlust. Die Studie zeigt eine klare Tendenz bei der Art der Finanzierung auf:
- Kleinere Agenturen (bis 1 Mio. € Umsatz) setzen zu 91 % auf Eigenkapital, während
- größere Agenturen (>20 Mio. € Umsatz) stärker auf Fremdkapital als Finanzierung setzen.
Unsere Analyse der Studie stellte zudem fest: Die Mehrheit der Agenturen ist finanziell stabil, aber ein signifikanter Teil arbeitet nur kostendeckend oder sogar mit Verlusten. Das unterstreicht die Notwendigkeit strategischer Finanzplanung und zeigt, dass mit zunehmendem Umsatz externe Finanzierungen wichtiger werden. Dennoch nutzen 60 % der Agenturen keine externe Finanzierung. Dies betont zwar ihre finanzielle Unabhängigkeit (77 % setzen auf eigene Mittel), kann gleichzeitig aber Wachstumschancen am Markt stark begrenzen.
Die Arten der genutzten Finanzierung im Überblick:
- Häufigste externe Finanzierungsquellen:
- Kontokorrent/Kreditlinie (34 %)
- Kredite von Hausbanken oder KfW (28 %)
- Leasing (22 %)
- Langfristige externe Finanzierungen (>12 Monate) (27 %)
- Wenig genutzt: Venture Capital (1 %) und Factoring (6 %).
Es zeigt sich: Viele der befragten Unternehmen bevorzugen es, sich selbst zu finanzieren und greifen nur begrenzt auf externe Kapitalquellen zurück. Kurzfristige Finanzierungen spielen dabei eine geringere Rolle als langfristige Kredite.
2. Herausforderungen im Cash-Management
Der Report stellt auch fest, dass das Cash-Management in der deutschen Agenturlandschaft eine zentrale Herausforderung bleibt: 56 % optimieren ihr Cash Management aktiv, während 44 % der Befragten ihr Cash-Management nicht optimieren, oft aus Zeitmangel oder fehlendem Know-how. Digitale Tools wie Buchhaltungs- und BI-Software werden zwar verwendet, doch ein signifikanter Teil (38 %) verlässt sich weiterhin auf Excel und andere manuelle Prozesse beim Cash-Management. In der Praxis zeigt sich, dass der Umstieg auf automatisierte Tools eine verbesserte Liquiditätsübersicht und somit auch zu effizienten Zahlungsprozessen führt.
Die häufigsten Maßnahmen der Cash-Optimierung im Überblick:
- 55 % Forderungs- und Rechnungsmanagement (z. B. schnelleres Factoring, bessere Zahlungsüberwachung).
- 15 % Kosten- und Prozessoptimierung.
- 15 % Finanzplanung und -steuerung.
- 11 % Mahnwesen (z. B. aktive Mahnprozesse für ausstehende Zahlungen).
- 8 % Kunden- und Lieferantenmanagement.
- 8 % Factoring/Leasing.
Besonders auffällig ist, dass fast die Hälfte derjenigen, die keine Tools verwenden, keinen Bedarf darin sieht, eine systematische Überwachung in Erwägung zu ziehen, was ein potenzielles Risiko birgt, wenn unvorhergesehene Liquiditätsprobleme auftreten.
3. Monetäre Herausforderungen im Cashflow-Management
Wie das Cash-Management ist auch das Cashflow-Management nicht zu unterschätzen: Denn saisonale Effekte haben einen erheblichen Einfluss auf den Cashflow der befragten Unternehmen. Nur 20% sind nicht von saisonalen Schwankungen betroffen.
Zu den meisten Schwankungen im Cashflow kommt es durch:
- Jahresendgeschäft ( 43 %): am Jahresende kommt es entweder zu einem Anstieg oder Rückgang des Cashflows, z. B. durch Budgetfreigaben oder Ausgaben.
- Urlaubszeiten (17 % ): Besonders in Sommer- und Ferienmonaten gibt es Auswirkungen auf den Cashflow.
- projektbasierter Personalbedarf( 8 % ): Die Abhängigkeit von Projektaufträgen beeinflusst die Liquidität.
- 8 % sind sonstige Faktoren.
- 4 % entstehen durch Veranstaltungen, wie Messen, Konferenzen oder Events und deren Kosten wie z. B. für Personal, Teilnahmegebühren, Standgeld, Standkosten, Pesen, Reisekosten.
Wofür verwenden Unternehmen ihren Cashflow: Für Wachstum oder Kostendeckung?
Die Entscheidung zwischen der wirtschaftlichen Kostendeckung und der Investition ins eigene Unternehmen hat einige Hürden, die in Deutschland bei den Befragten eine Rolle spielen:
- 47 % sehen hohe Finanzierungskosten als größtes Hindernis für die Liquidität.
- 28 % mangelnde Flexibilität bei der Mittelverwendung , da Fremdfinanzierung oft an bestimmte Zwecke gebunden ist.
- 25 % sehen sich aufwendiger Kreditprozess gegenüber – Bürokratische Hürden erschweren ihnen den Zugang zu benötigten Kapital.
- Für 16 % spielt die lange Dauer bis zur Auszahlung von Krediten eine Rolle.
- 14 % haben einen schwierigen Zugang zu Krediten, da Banken sehr vorsichtig sind bei der Vergabe.
- 51 % haben Schwierigkeiten bei Neukunden-Ressourcenallokation, denn sie kämpfen mit Kapazitätsproblemen.
- 50 % haben Herausforderungen bei der Einstellung neuer Mitarbeitender – ihr Wachstum wird durch Fachkräftemangel oder Ressourcenengpässe gebremst.
- 33 % haben zu niedrigen Cashflow für Investitionen – Fehlende Finanzmittel erschweren ihr Wachstum.
- Für 21 % sind lange Zahlungsziele eine Belastung ihrer Liquidität.
Es lässt sich festhalten: Hohe Finanzierungskosten und Kreditbarrieren erschweren Wachstum und Innovation in der Branche. Zudem belasten lange Zahlungsziele und fehlende Investitionsmittel die wirtschaftliche Stabilität der Unternehmen.
4. Chancen wahrnehmen: durch strategische Finanzplanung
Der Report zeigt auf, dass die meisten Befragten nur eine kurzfristige Planung für etwa 3-6 Monate haben und eine langfristige strategische Finanzplanung scheint in vielen Fällen zu fehlen. Das könnte Risiken in Krisenzeiten erhöhen. Der Runway (Überlebenszeit ohne neue Einnahmen) ist bei nur 2% der Unternehmen bei einem Planungshorizont von über 15 Monaten. Dabei wird die GuV-Planung (Gewinn- und Verlustrechnung) oder die Liquiditätsplanung als strategisches Instrument gewählt:
Planungshorizont nach GuV-Planung:
- 57 % planen für 6-12 Monate,
- 24 % haben nur 0-6 Monate mit Planungssicherheit.
Liquiditätsplanung:
- 50 % haben eine Planung für maximal 6 Monate.
- Nur 1 % plant über 24 Monate hinaus.
Erkenntnisse & Empfehlungen
Abschließend lässt sich sagen, dass die strategische Nutzung von Fremdkapital und die Priorisierung der Digitalisierung im Cash-Management wesentliche Faktoren sind, um monetäre Flexibilität und Stabilität zu gewährleisten. Agenturen in Deutschland sollten nicht nur in gut ausgebildetes Personal und innovative Technologien, wie KI- und Softwareentwicklung investieren, sondern auch stets ihre finanziellen Einnahmen und Ausgaben im Blick behalten. Die langfristige Planung der Finanzen und eine proaktive Auseinandersetzung mit Liquiditätsrisiken sind unverzichtbare Maßnahmen, um in Krisenzeiten handlungsfähig zu bleiben. Mit einer gezielten und weitsichtigen Strategie können Sie nicht nur Ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern, sondern auch Ihre Chancen auf dem Finanzmarkt verbessern.